Wenn man sich die beliebtesten Videos auf YouTube oder auch Blog Artikel zum Thema “richtig schlafen bei Rückenschmerzen” anschaut, dann kommen schnell Aussagen wie: “Auf dem Bauch liegen ist schlecht für den Nacken.”, “Rückenlage ist am gesündesten für die Wirbelsäule.” oder “Auf der Seite liegen geht nur, wenn man mit Kissen arbeitet, damit die Wirbelsäule immer schön gerade ist.”. Doch was ist da wirklich dran? Das schauen wir uns jetzt mal genauer an.
Inhaltsverzeichnis
Richtig schlafen bei Rückenschmerzen
Es gibt Studien, wie zum Beispiel die von Cary et al. (2021), die zeigen, dass Menschen mit Nackenschmerzen beim Schlafen mehr Zeit in Bauchlage verbringen als Menschen ohne Nackenschmerzen. Normalerweise würde ich diese Studien gar nicht erwähnen, weil sie nicht sonderlich aussagekräftig sind. Aber in diesem Artikel will ich dir mal kurz vorstellen, warum das so ist.
Angenommen, du hast aktuell Rückenschmerzen, wenn du auf der Seite liegst. Was machst du? Du wählst eine andere Schlafposition – zum Beispiel die Bauchlage.
Jetzt stell dir vor, ich mach’ eine Studie mit dir und analysiere dein aktuelles Schlafverhalten. Was stelle ich fest? Dass du sehr viel Zeit in Bauchlage verbringst. Wäre die Schlussfolgerung, dass die Bauchlage zu Rückenschmerzen führt, richtig? Nein, natürlich nicht. Aber so wurden die meisten Studien durchgeführt, die zu diesen Ergebnissen kommen, dass gewisse Schlafpositionen gefährlich sind.
Lass uns nochmal einen Schritt weitergehen.
Angenommen, du hast Schulterschmerzen, wenn du auf deinem Arm liegst. Dann hast du dir angewöhnt, auf dem Rücken zu schlafen, weil dein Arm so nicht wehtut.
Jetzt führen wir wieder eine Studie durch und schauen, wie Leute mit Schulterschmerzen schlafen und kommen zu dem Ergebnis, dass sie in RÜCKENLAGE schlafen! Oh mein Gott.
Also schlussfolgern wir, dass die Rückenlage Schulterschmerzen verursacht? Nein natürlich nicht, aber so denken viele.
Ich hoffe, dieser kurze Exkurs in diese sogenannten Querschnittsstudien war hilfreich.
Um jetzt nochmal kurz die Punkte aus den YouTube-Videos und Blog-Artikeln zu entkräften.
Es gibt keinerlei Belege dafür, dass auf dem Bauch zu schlafen zu Nackenschmerzen führt. Es gibt keinerlei Belege dafür, dass eine asymmetrische Wirbelsäulenposition zu Schmerzen führt und es gibt keinerlei Belege dafür, dass das Schlafen auf dem Rücken zu weniger Schmerzen führt.
Hängen Schmerzen und Schlaf überhaupt zusammen?
Die Antwort ist – ja! Es gibt eine zweiseitige Beziehung zwischen Schlaf und Schmerz. Zum einen ist es so, dass man tendenziell schlechter schläft, wenn man Schmerzen hat und zum anderen haben wir mehr Schmerzen, wenn wir schlecht schlafen.
Wenig oder schlechter Schlaf führt nämlich dazu, dass unser Körper sensibler gegenüber Schmerzen wird. Diese erhöhte Sensibilität kann dann dazu führen, dass man Schmerz stärker empfindet (Lautenbacher et al. 2006). Der Effekt von schlechtem Schlaf auf Schmerzen ist aber deutlich größer als der Effekt von Schmerzen auf Schlaf (Finan et al. 2013).
Daraus können wir ziehen, dass es wichtig ist, auf unsere Schlafqualität zu achten.
Das soll kein Artikel für Schlaftipps werden, aber drei schnelle, wirksame Tipps will ich dir trotzdem mitgeben.
Tipps für erholsamen Schlaf
Tipp 1: Schlafroutine entwickeln
Das bedeutet, dass du versuchen solltest, jeden Tag etwa um dieselbe Zeit ins Bett zu gehen. Außerdem kann es im Rahmen einer Bettroutine hilfreich sein, die letzten 30-60 Minuten des Tages blaues Licht (wie Handy oder Fernseher) zu reduzieren.
Tipp 2: Keine großen Mahlzeiten vorm Einschlafen
Der Tipp ist relativ selbsterklärend. Versuch 2-3 Stunden vor dem Bett gehen keine größeren Mahlzeiten mehr zu essen.
Tipp 3: Körperliche Aktivität
Wenn du tagsüber aktiver bist, schläfst du besser. Zusätzlich hat körperliche Aktivität ja noch viele weitere Vorteile. Bonuspunkte kannst du sammeln, wenn du draußen aktiv bist, weil Sonnenlicht auch einen positiven Effekt auf die Schlafqualität hat.
Also ja dein Schlaf hat einen Einfluss auf deine Schmerzen – es hängt aber nicht davon ab, ob du jetzt Bauchschläfer, Seitenschläfer oder Rückenschläfer bist. Zumindest nicht aus biomechanischer Sicht. Du solltest eine Schlafposition wählen, die für dich bequem ist, damit deine Schlafqualität möglichst gut ist.
Hat die Schlafposition nie einen negativen Einfluss?
Doch – natürlich kann sie unter gewissen Umständen einen negativen Einfluss haben.
Angenommen du hast einen Bandscheibenvorfall und eine Streckung der Wirbelsäule löst bei dir die Schmerzen aus. Würde ich dann trotz Beschwerden der Bandscheiben in Bauchlage schlafen?
Nein natürlich nicht. In diesem Fall hätte die Schlafposition tatsächlich einen negativen Effekt auf deine Schmerzen.
Oder auch, wenn du beispielsweise Schmerzen an der Seite deiner Hüfte hast. Wenn du jetzt in Seitenlage auf dieser Hüfte liegst, kann das die Symptome verschlimmern. Da könnte es super angenehm sein, sich auf die andere Hüfte in Seitlage zu legen und ein Kissen zwischen die Knie zu legen.
Kopfkissen und Matratze
Stell dir vor, eine „gerade“ Wirbelsäule wäre wirklich wichtig, um keine Schmerzen zu entwickeln.
Wie anstrengend wäre das, jede Nacht mit so vielen Kopfkissen im Bett zu schlafen. Also meine Schlafqualität würde das jedenfalls stören.
Dennoch solltest du natürlich darauf achten, dass dein Kopfkissen und deine Matratze keinen negativen Einfluss auf die Schmerzen haben. Solange aber dein Kissen nicht so hoch ist, dass es deine Halswirbelsäule ungünstig positioniert, oder deine Matratze so hart ist, dass dein Rücken nicht entlastet wird, solltest du das Thema auch dahingehend nicht zu sehr überdenken.
Du kannst nur deine Einschlafposition bestimmen!
Was außerdem ganz wichtig ist: Die Schlafposition wechseln wir im Schnitt etwa 20-30 Mal pro Nacht (De Koninck et al. 1992). Du kannst also nur deine Einschlafposition bestimmen – auf den Rest hast du gar keinen Einfluss.
Wenn der Mensch wirklich so fragil wäre, dass wir mit 17 Kissen schlafen müssen und uns Sorgen über mehr oder weniger Rotation bzw. Neigung der Wirbelsäule machen müssten, dann würde es uns als Spezies mit Sicherheit nicht mehr geben.
Kurz zusammengefasst:
Wenn eine gewisse Schlafposition deine Symptome verstärkt, dann ändere sie und es kann sehr gut sein, dass eine Änderung der Schlafposition deine Schmerzen reduziert.
Du solltest dir aber nicht zu viele Gedanken darüber machen, ob du mit angewinkelten Beinen schlafen solltest, wie dein Becken positioniert ist, oder ob deine aktuelle Schlafposition Verspannungen in der Muskulatur verursacht.
Wenn du durch deinen Schlaf einen positiven Einfluss auf deine Schmerzen im unteren Rücken, in der Halswirbelsäule oder auch andere Bereiche nehmen willst, fokussiere dich lieber auf die Tipps, die ich dir genannt habe.
Der große Punkt ist einfach, dass man nicht behaupten kann, dass die Schlafposition die Ursache für die Schmerzen ist – weil es keinerlei Belege dafür gibt.
Es gibt Schlafpositionen, die Schmerzen AUSLÖSEN oder provozieren können – absolut! Aber das bedeutet nicht, dass sie die Ursache für Rückenbeschwerden sind. Das ist ein wichtiger Unterschied.
Interessierst du dich für das Thema Rückenschmerzen? Dann lies dir gerne meinen Artikel “Rückenschmerzen durch HOHLKREUZ? Das ist ein Mythos!” durch.
Literatur
- Cary, D., Jacques, A., & Briffa, K. (2021). Examining relationships between sleep posture, waking spinal symptoms and quality of sleep: A cross sectional study. PloS one, 16(11), e0260582. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0260582
- De Koninck, J., Lorrain, D., & Gagnon, P. (1992). Sleep positions and position shifts in five age groups: an ontogenetic picture. Sleep, 15(2), 143–149. https://doi.org/10.1093/sleep/15.2.143
- Finan, P. H., Goodin, B. R., & Smith, M. T. (2013). The association of sleep and pain: an update and a path forward. The journal of pain, 14(12), 1539–1552. https://doi.org/10.1016/j.jpain.2013.08.007
- Lautenbacher, S., Kundermann, B., & Krieg, J. C. (2006). Sleep deprivation and pain perception. Sleep medicine reviews, 10(5), 357–369. https://doi.org/10.1016/j.smrv.2005.08.001