Hast du ein Kribbeln oder Schmerzen in den Fingern und fragst dich, ob du ein Karpaltunnelsyndrom hast? Vielleicht hast du die Diagnose ja sogar schon bekommen. In diesem Blog Artikel werde ich dir alles zu diesem Beschwerdebild erzählen, was du wissen musst und dir hilfreiche Tipps mitgeben, die dir bestenfalls sofort helfen werden.
Inhaltsverzeichnis
Diagnose Karpaltunnelsyndrom – Was bedeutet das?
Anatomie
Das Karpaltunnelsyndrom ist eine Erkrankung, bei der Symptome in der Hand auftreten, weil der Nervus Medianus (Mittelnerv) eingeklemmt oder gereizt wird.
Dieser Nerv entsteht in deiner Achselhöhle (aus Nerven, die in deiner Halswirbelsäule beginnen) und verläuft deinen Arm hinunter in deine Hand durch einen engen Tunnel im Bereich des Handgelenks, der Karpaltunnel genannt wird.
Der Mittelnerv verleiht deinem Daumen, Zeigefinger, Mittelfinger und der Hälfte des Ringfingers Gefühl, sodass du überhaupt etwas spüren kannst. Außerdem ist er für die Bewegung des Daumens und der ersten zwei Finger zuständig.
Symptome bei Karpaltunnelsyndrom
Wenn der Mittelnerv eingeklemmt oder gereizt wird, kann das Schmerzen oder Missempfindungen, wie ein Taubheitsgefühl, Kribbeln und/oder ein Brennen in den genannten Bereichen verursachen.
Bei vielen ist es auch so, dass die Beschwerden in der Nacht schlimmer werden.
Wenn der Nerv sehr stark betroffen ist, kann es dazu führen, dass man die Muskulatur der Hand nicht mehr wie gewöhnlich ansteuern kann. Das kann dann zu einem Muskelschwund im betroffenen Bereich führen.
Ursache für das Karpaltunnelsyndrom?
Der Mittelnerv kann durch verschiedene Dinge gereizt werden. Ein möglicher Auslöser ist, das extrem häufige Wiederholen einer bestimmten Handbewegung (wie zum Beispiel an der Tastatur oder der Maus).
Ein weiterer Auslöser kann sein, wenn du sehr viel Zeit in maximaler Beugung oder maximaler Streckung des Handgelenks verbringst. Beispiele hierfür sind häufiges Handstandtraining oder das Schlafen mit eingeknickter Handgelenk.
Außerdem sind schwangere Frauen häufig vom Karpaltunnelsyndrom betroffen, was Ablove & Ablove 2009 in ihrer Studie zeigen konnten. Das hat in diesem Fall vermutlich etwas mit Flüssigkeitsansammlung und Schwellung zu tun.
Jetzt wissen wir, was das Karpaltunnelsyndrom ist und wie es entsteht – was können wir dagegen tun?
Konservative Behandlung des Karpaltunnelsyndroms
Pausen & Ergonomie
Lass uns erst mal mit den konservativen Methoden anfangen. Ich habe dir ja gerade erklärt, wie dieses Problem überhaupt zustande kommt. In der Therapie versuchen wir jetzt diese Dinge positiv zu beeinflussen.
Wenn du also bei der Schreibtischarbeit durch die wiederholten Bewegungen des Handgelenks und der Finger Probleme hast, dann wäre es sinnvoll, regelmäßige Pausen einzubauen.
Zudem kannst du versuchen, die Ergonomie am Arbeitsplatz etwas zu verändern. Zum Beispiel die Stuhl- bzw. Schreibtischhöhe anpassen, eine andere Maus oder Tastatur verwenden oder deren Position verändern.
An dieser Stelle sollte jedoch gesagt sein, dass die Studienlage hierzu echt dünn ist. Studien, wie die von O’Connor et al. (2012) oder Schmid et al. (2015) zeigen, dass wir aktuell nicht genau sagen können, ob das etwas bringt.
Dadurch, dass es aber relativ einfach umzusetzen ist und nicht viel kostet, würde ich es auf jeden Fall mal ausprobieren! Ansonsten, wie gesagt, einfach regelmäßige Pausen einbauen und ein paar Übungen machen (dazu kommen wir gleich).
Schienen bei Karpaltunnelsyndrom
Wenn du Nachts besonders starke Probleme hast, dann ist es schwierig hier bewusst etwas zu verändern (weil du ja schläfst). Dass wir nur unsere Einschlafposition beeinflussen können, habe ich ja schon in diesem Blog Artikel erklärt.
In diesem Fall kann es tatsächlich sinnvoll sein, mit einer Unterarmschiene zu arbeiten. Diese hält dein Handgelenk in einer neutralen Position, wodurch der Nerv nicht irritiert wird und ein schmerzhaftes oder taubes Gefühl verhindert werden kann.
Aber auch tagsüber kannst du die Unterarmschiene tragen, wenn deine Schmerzen aktuell relativ stark sind. Auch hier möchte ich aber sagen, dass die Studienlage ziemlich umstritten ist (Karjalainen et al. 2023).
Dadurch, dass eine Schiene aber relativ wenig kostet, kann es sich durchaus lohnen, einfach mal auszuprobieren, ob es dir hilft.
Übungen bei Karpaltunnelsyndrom
Jetzt möchte ich dir ein paar Übungen vorstellen, die du gerne ausprobieren kannst.
Übung 1: Nervenmobilisation des Mittelnervs
- Du stellst dich dazu aufrecht hin.
- Dann streckst du dein Handgelenk.
- Jetzt drehst du deinen Arm so, dass deine Finger nach hinten zeigen.
- Danach spreizt du den Arm leicht vom Körper ab.
- Und ziehst jetzt die Schulter nach oben und schiebst sie wieder nach unten.
Wenn du es noch intensiver haben möchtest, könntest du deinen Kopf jetzt noch von deinem Arm wegneigen. Dadurch bekommst du eine noch stärkere Dehnung.
Wichtig ist, dass du eine angemessene Intensität bei der Übung wählst. Das bedeutet, dass du maximal eine Dehnungsspannung von 2-3/10 spüren willst. Wir wollen den Nerv nämlich nur mobilisieren, nicht ihn durch eine zu starke Dehnung reizen.
Wenn du diese Mobilisation unangenehm für dich ist, kannst du sie auch einfacher machen indem du:
- Dein Handgelenk nicht ganz streckst.
- Den Ellenbogen leicht beugst.
- Die Schulterbewegung kleiner machst.
Übung 2: Fingerwellen
- Du streckst dein Handgelenk.
- Jetzt beugst du deine Finger von oben nach unten und versuchst sie an deiner Handfläche entlang nach unten zu schieben.
- Lasse dein Handgelenk hier mitbewegen.
- Wenn du unten angekommen bist, streckst du die Finger und das Handgelenk, bis du wieder in der Startposition angekommen bist.
Auch hier, wenn die Übung zu anspruchsvoll ist, dann mach sie in einem kleineren Bewegungsumfang.
Übung 3: 90/90 Stretch with Arm Sweep
Und zuletzt wollen wir natürlich auch noch die Schulter und Wirbelsäule mobilisieren.
- Lege dich auf den Rücken.
- Überkreuze deine Beine.
- Lege dich auf eine Seite.
- Lege beide Arme auf Schulterhöhe ab.
- Bewege den oberen Arm in einem großen Kreis über deinen Kopf und hinter deinem Körper vorbei, bist du an der Lendenwirbelsäule angekommen bist (die Beine sollten währenddessen auf dem Boden bleiben).
- Jetzt bewegst du den Arm wieder zurück in die Startposition.
Dasselbe Spiel wie zuvor – wenn die Übung zu intensiv ist, gerne einen kleineren Kreis machen und/oder den Arm leicht beugen.
Jetzt fragst du dich bestimmt: Wie oft soll ich die Übungen machen? Dazu kommen wir jetzt in der Trainingsplanung.
Trainingsplanung
Alle drei Übungen kannst du gerne mehrmals täglich machen. Mach die Übungen dann jeweils für 30-60 Sekunden und plane sie am besten als Unterbrechung von repetitiven Aufgaben ein.
Wenn du beispielsweise viel am Schreibtisch arbeitest, versuche die Übungen alle zwei Stunden als kurze Unterbrechung von 1-3 Minuten zu machen. Mehr Zeit braucht es auch gar nicht.
Auch wenn ich der größte Fan von aktiven, konservativen Ansätzen bin, funktionieren sie nicht für alle. Es kann sein, dass du super Fortschritte machst, es kann sein, dass sich bei dir überhaupt nichts tut oder es kann sogar sein, dass die Symptome schlechter werden.
Deshalb möchte ich jetzt noch kurz auf Operationen etc. eingehen.
Sind Spritzen und Operation nötig?
Für die allermeisten Leute reicht eine konservative Behandlung aus. Das zeigt zum Beispiel die Studie von Middleton und Anakwe aus dem Jahr 2014. Es wird auch unbedingt geraten, zuerst konservativ vorzugehen. Wenn die Schmerzen aber schon über 6 Monate bestehen, kann eine Operation bessere Ergebnisse erzielen, was Shi und MacDermid in ihrer Studie zeigen.
Die Operation ist ein kleiner Eingriff, bei dem der Chirurg Platz im Bereich des Karpaltunnels schafft. In den meisten Fällen reicht dabei eine örtliche Betäubung des Nervs aus, weshalb die Operation ambulant versorgt werden kann.
Ich bin zwar nicht so der große Unterstützer von Kortisonspritzen, aber in einem Stadium mit leichten bis moderaten Symptomen eines Karpaltunnelsyndroms sollen sie ziemlich gut zu helfen. Das zeigt eine aktuelle Übersichtsarbeit von Ashworth et al. (2023).
Also erst mal ohne OP versuchen, wenn nötig mal eine Kortisonspritze in Betracht ziehen und wenn all das nicht hilft, über einen operativen Eingriff nachdenken.
Wenn du gerne noch mehr Übungen hättest, dann schau dir gerne dieses Video an.
Literatur
- Ablove, R. H., & Ablove, T. S. (2009). Prevalence of carpal tunnel syndrome in pregnant women. WMJ : official publication of the State Medical Society of Wisconsin, 108(4), 194–196.
- Ashworth, N. L., Bland, J. D. P., Chapman, K. M., Tardif, G., Albarqouni, L., & Nagendran, A. (2023). Local corticosteroid injection versus placebo for carpal tunnel syndrome. The Cochrane database of systematic reviews, 2(2), CD015148. https://doi.org/10.1002/14651858.CD015148
- Karjalainen, T. V., Lusa, V., Page, M. J., O’Connor, D., Massy-Westropp, N., & Peters, S. E. (2023). Splinting for carpal tunnel syndrome. The Cochrane database of systematic reviews, 2(2), CD010003. https://doi.org/10.1002/14651858.CD010003.pub2
- Middleton, S. D., & Anakwe, R. E. (2014). Carpal tunnel syndrome. BMJ (Clinical research ed.), 349, g6437. https://doi.org/10.1136/bmj.g6437
- O’Connor, D., Page, M. J., Marshall, S. C., & Massy-Westropp, N. (2012). Ergonomic positioning or equipment for treating carpal tunnel syndrome. The Cochrane database of systematic reviews, 1(1), CD009600. https://doi.org/10.1002/14651858.CD009600
- Schmid, A. B., Kubler, P. A., Johnston, V., & Coppieters, M. W. (2015). A vertical mouse and ergonomic mouse pads alter wrist position but do not reduce carpal tunnel pressure in patients with carpal tunnel syndrome. Applied ergonomics, 47, 151–156. https://doi.org/10.1016/j.apergo.2014.08.020
- Shi, Q., & MacDermid, J. C. (2011). Is surgical intervention more effective than non-surgical treatment for carpal tunnel syndrome? A systematic review. Journal of orthopaedic surgery and research, 6, 17. https://doi.org/10.1186/1749-799X-6-17