Löst dein Iliosakralgelenk Schmerzen aus? Dann bist du hier genau richtig. In diesem Artikel möchte ich dir nämlich wissenschaftlich fundierte Tipps und Übungen mit an die Hand geben, damit du die Beschwerden bestmöglich in den Griff bekommen kannst.
Inhaltsverzeichnis
Anatomie & Funktion des Iliosakralgelenks
Das Iliosakralgelenk besteht aus dem Becken (Ilium genannt) und dem Kreuzbein (Sakrum genannt). Daher auch der Name Iliosakralgelenk. Das Gelenk wird extrem stark durch Bänder, Muskeln und Fasziengewebe stabilisiert.
Das Becken ist über die Oberschenkel direkt mit dem Unterkörper und über die Wirbelsäule mit dem Oberkörper verbunden. Diese anatomische Verbindung erklärt auch direkt die Funktion des Iliosakralgelenks. Die Hauptfunktion ist nämlich die Kraftübertragung zwischen Unterkörper und Oberkörper.
Ursachen für Iliosakralgelenk Schmerzen
Es gibt unzählige Ursachen für Schmerzen im ISG. Am offensichtlichsten sind jedoch Dinge wie:
- Direktes Trauma (z. B. durch einen Aufprall, bei einem Kontaktsport wie Eishockey, Fußball, etc.)
- Überbelastung (z. B. wenn du in relativ kurzer Zeit viel mehr Joggen gehst als zuvor oder wenn du dein Trainingspensum im Gym erhöhst)
- Schwangerschaft
- Entzündliche Erkrankungen (wie z. B. ankylosierende Spondylitis oder Psoriasis Arthritis)
Aber oft ist die Ursache auch einfach unbekannt.
Mythen (ISG-Blockade, Fehlstellungen…)
Ein häufiger Mythos ist, dass Therapeut*innen eine Fehlfunktion oder Fehlstellung deines ISGs sehen oder spüren können. Diese Annahme wurde durch Studien, wie die von Palsson et al. schon vor einigen Jahren widerlegt.
Ich habe dir ja vorhin erklärt, dass das ISG extrem durch Bänder und andere Strukturen stabilisiert wird. Deshalb ist es auch so, dass sich das ISG nur 2,5° nach vorne und hinten bewegen kann und sich nur weniger als 1 mm nach außen bewegen kann.
Um diese kleinen Gradzahlen überhaupt feststellen zu können, braucht man super teures Laborequipment. Mit den bloßen Händen oder Augen ist das unmöglich erkennbar.
Der nächste Mythos hängt auch direkt damit zusammen. Denn Therapeut*innen behaupten ja oft, dass sie das ISG wieder einrenken können (also in die “richtige” Position schieben).
Es gibt bis heute nicht eine einzige Studie, die zeigt, dass durch eine Manipulation die Position des ISGs verändert werden kann. Ich weiß, was du jetzt denkst: “Aber Gino, ich hab’s doch selbst erlebt. Ich wurde eingerenkt und danach waren meine Schmerzen weg!”
Ich verstehe deinen Punkt! Die Möglichkeit besteht auch, dass dir eine Manipulation hilft, aber eben nicht, weil die Position des ISGs verändert wird.
Das beweist zum Beispiel die Studie von Tullberg et al. 1998. Sie konnten nämlich zeigen, dass eine Manipulation des ISGs die Schmerzen reduziert hat, OHNE die Position des ISGs beeinflusst zu haben.
Therapie & Übungen bei Iliosakralgelenk Schmerzen
Grundsätzlich sieht die Therapie relativ simpel aus. Wenn deine Schmerzen dadurch entstanden sind, dass du dich überlastet hast, dann solltest du die Belastung erst mal runterfahren. Das bedeutet nicht, dass du dich nicht mehr bewegen sollst, sondern einfach nur, dass du schmerzhafte Bewegungen erst mal reduzieren sollst.
Der nächste Schritt ist dann aber enorm wichtig und der gilt für alle Ursachen von ISG Schmerzen. Du willst die Toleranz deines Körpers gegenüber der Belastung schrittweise erhöhen.
Das bedeutet, dass du erst mal mit einfacheren Übungen anfängst und dich dann mit der Zeit steigerst. Ich hab dir die Übungen in 3 Level eingeteilt.
Level 1: Mobilisierung & Schmerzreduktion
Mit diesen Übungen kannst du auch schon in der Akutphase arbeiten. Schau einfach, was dir davon guttut und lass alles weg, was sich nicht gut anfühlt. Solltest du die Übungen nicht kennen, schau gerne in das oben eingefügte Video rein.
- Foam Rolling Glutes
- Hip Shifts
- Knee Hugs
- Pigeon Stretch
- Inverted Hamstring
- 90/90 Get Up
Dadurch, dass die Übungen sehr leicht sind, kannst du sie täglich oder sogar mehrmals täglich machen. Was die Sätze und Wiederholungen angeht, kannst du bei den dynamischen Übungen mit 2-3 Sätzen à 10 Wiederholungen und bei den Dehnübungen mit 2-3 Sätzen à 30 Sekunden Haltezeit arbeiten.
Wenn diese Übungen gut klappen und deine Symptome besser geworden sind, kannst du mit Level 2 weitermachen.
Level 2: Körpergewichtsübungen
Mit den Übungen in diesem Level bringen wir jetzt etwas mehr Belastung auf das ISG. Wir starten erst mal mit ein paar Halteübungen:
- Superman
- Hamstring Bridge
- Bird Dog
Hier kannst du mit 3 Sätzen à 30-45 Sekunden arbeiten. Wenn das gut klappt, kannst du mit dynamischen Übungen weitermachen wie:
- Glute Bridge
- Single Leg Glute Bridge
- Feet Elevated Single Leg Glute Bridge
- Split Squats
Hier arbeite ich gerne mit 3 Sätzen à 15 Wiederholungen. Wenn du dieses Level abgehakt hast und deine Schmerzen nach wie vor besser werden, dann geht’s jetzt weiter mit Level 3.
Level 3: Übungen mit Zusatzgewicht
Ich arbeite gerne erst mit beidbeinigen Übungen, wenn Leute Beschweren am ISG haben, weil diese in der Regel etwas besser vertragen werden. Deswegen wären meine ersten Empfehlungen in dieser Kategorie:
- Back Squat
- Deadlift
- Hip Thrust
Danach kannst du dann in einbeinige Varianten übergehen wie:
- Split Squats
- Romanian Deadlift – 2 Arms, 1 Leg
- Hip Thrust – 1 Leg
Bei diesen Übungen kannst du auch gerne mit 3 Sätzen à 15 Wiederholungen anfangen. Wenn du das gut tolerierst, kannst du mit der Zeit das Gewicht erhöhen und dafür die Wiederholungszahl auf 12, 10, 8 oder weniger reduzieren.
Ganz wichtig: Die Übungen, die ich dir jetzt gezeigt habe, sind nicht irgendwie magisch und das hat einen einfachen Grund. Der wäre, dass es keine BESTEN Übungen gegen Iliosakralgelenk Schmerzen gibt. Folge einfach den Prinzipien, die ich dir vorgestellt habe und tausche auch gerne Übungen aus, wenn du Alternativen kennst, die dir besser gefallen.
Wenn du mehr darüber erfahren willst, warum es keine BESTE Übung gegen ISG bzw. Rückenschmerzen gibt, dann lies dir gerne diesen Artikel durch.
Literatur
- Palsson, T. S., Gibson, W., Darlow, B., Bunzli, S., Lehman, G., Rabey, M., Moloney, N., Vaegter, H. B., Bagg, M. K., & Travers, M. (2019). Changing the Narrative in Diagnosis and Management of Pain in the Sacroiliac Joint Area. Physical therapy, 99(11), 1511–1519. https://doi.org/10.1093/ptj/pzz108
- Tullberg, T., Blomberg, S., Branth, B., & Johnsson, R. (1998). Manipulation does not alter the position of the sacroiliac joint. A roentgen stereophotogrammetric analysis. Spine, 23(10), 1124–1129. https://doi.org/10.1097/00007632-199805150-00010