Gleichgewichtsübungen auf einem Balance Pad … sooo viele Leute machen diese Übungen. Und was versprechen sie sich daraus? Ihr Gleichgewicht für den Sport zu verbessern, das Risiko für eine Verletzung zu reduzieren und die Leistungsfähigkeit zu steigern. In diesem Blog Artikel erfährst du, warum du NICHTS davon auf instabilen Untergründen erreichst.
Inhaltsverzeichnis
Welchen Effekt hat das Training von Gleichgewichtsübungen auf die Leistungsfähigkeit?
Dazu schauen wir uns mal die Studie von Cressey et al. (2007) an. Die Autoren haben ein 12-wöchiges Trainingsprogramm bei gesunden Sportler:innen durchgeführt. Getestet wurden dabei die Sprintgeschwindigkeit, Sprungkraft und Agilität in 2 verschiedenen Gruppen.
Bei den Teilnehmer:innen der Gruppe, die ihr Training auf stabilem Untergrund durchgeführt haben, wurden die Sprintgeschwindigkeit und Sprungkraft deutlich besser, als bei Leuten, die auf instabilem Boden trainiert haben. Bei der Agilität gab es keine großen Unterschiede.
Jetzt ist natürlich die große Frage, warum ist das so?
Das liegt daran, dass Übungen, die auf wackligem Untergrund ausgeführt werden, ein deutlich höheren Anspruch an das Gleichgewichtssystem haben.
Hinzu kommt, dass bei diesen Übungen viel mehr Koordination gefordert wird, weshalb mit deutlich weniger Gewicht gearbeitet werden kann als auf stabilem Untergrund.
Die Sprintgeschwindigkeit und Sprungkraft sind maßgeblich von der Maximalkraft beeinflusst. Wenn wir die Maximalkraft verbessern wollen, sollten wir mit möglichst viel Gewicht arbeiten, was auf wackligem Untergrund aber einfach schwieriger ist.
Wie funktionell sind diese Balance Pad Übungen?
Diese Frage beantwortet Hubbard in seiner Studie aus dem Jahr 2010 sehr, sehr gut. Er kam zu dem Ergebnis, dass Training auf instabilem Untergrund weniger funktionell ist als auf stabilem Untergrund.
Warum? Weil die Ansteuerung der Muskeln ganz anders ist, wenn du die Bewegung auf wackeligem Untergrund machst, als bei den Übungen, für die man sich einen Übertrag wünscht, also zum Beispiel bei der Sportart oder im Alltag.
Außerdem kann man die Leistungsfähigkeit mit diesen Übungen nicht so gut steigern, weil man zum Beispiel, wie gerade eben besprochen, weniger Kraft entfalten kann.
Es gibt zwar Übungen, die mehr Rumpfmuskelaktivität zeigen, wenn man Übungen auf einem instabilen Untergrund macht. Die verwendeten Gewichte in diesen Studien sind aber lächerlich gering.
Ein Beispiel dafür ist das Paper von Norwood et al. (2007). Sie haben Bankdrücken mit 9 Kilo gemacht. Wenn du dir aber mal das Bild anschaust, wie das Bankdrücken ausgeführt wurde, wird klar, dass bei diesen instabilen Varianten mehr Rumpfmuskelaktivität benötigt wird.
Macht du aber andere Grundübungen, bei denen Füße, Knie und Rumpf mehr Stabilität haben, zum Beispiel sowas wie eine Kniebeuge oder Kreuzheben und belegst diese mit ordentlich Gewicht, hast du sogar mehr Rumpfmuskelaktivität, als wenn du eine Übung zum Beispiel auf einem Petsi-Ball machst.
Das zeigt unter anderem das Paper von Nuzo et al. aus dem Jahr 2008.
Wie hoch ist der Transfer von Übungen auf einer instabilen Unterlage?
Also, hat es einen Effekt auf andere Übungen, wenn dein Gleichgewicht in einer bestimmten Übung besser wird? Die Frage haben Kramer und Guibois in ihrem Paper beantwortet. Zunächst mal gibt es zwei Sichtweisen, was Gleichgewichtstraining angeht.
Sichtweise Nummer 1 wäre, dass Gleichgewicht eine übergeordnete Fähigkeit ist. Das Training einer oder mehrerer Gleichgewichtsaufgaben-Übungen führt dazu, dass dein Gleichgewicht im Allgemeinen besser wird und dadurch die Leistungsfähigkeit im Allgemeinen positiv beeinflusst wird.
Sichtweise 2 ist, dass Gleichgewicht eine Ansammlung von einzelnen Fertigkeiten ist, die separat trainiert werden müssen. Was so viel bedeutet wie, du wirst nur in der Gleichgewichtsübung besser, die du trainierst und es gibt keinen Übertrag auf andere Übungen.
Um herauszufinden, welche Sichtweise die richtige ist oder näher an der Wahrheit ist, haben sie eine Studie mit drei Gruppen durchgeführt. Gruppe 1 macht Training auf einem Kippbrett, Gruppe 2 macht Training auf einem Schwingbrett, einem Posturomed.
Die dritte Gruppe macht gar kein Training. Rein theoretisch, wenn wir Sichtweise 1 glauben, müssten ja die Leute, die auf dem Kippbrett üben, auch auf dem Schwungbrett besser werden, weil sich ja ihr Gleichgewicht im Allgemeinen verbessert haben, richtig?
In der Theorie wäre das richtig, das ist aber nicht passiert. Die Leute, die auf dem Kippbrett trainiert haben, sind nur auf dem Kippbrett besser geworden und die Leute, die auf dem Schwingbrett trainiert haben, sind nur auf dem Schwingbrett deutlich besser geworden.
Jetzt könnte man ja argumentieren, dass man das Gleichgewichtstraining einfach ein bisschen vielseitiger gestalten soll, als immer nur die gleiche Übung auf dem Kippbrett oder auf dem Schwingbrett zu machen. Dann müsste es doch einen höheren Übertrag geben, oder?
Vom Grundgedanken her absolut richtig, dieser Ansatz nennt sich learning to learn, also lernen zu lernen. Hier geht es darum, dass man Gemeinsamkeiten in verschiedenen Aufgaben findet. Dieser Effekt wurde tatsächlich schon in diversen Studien nachgewiesen, aber in einem anderen Kontext.
Wie sieht es jetzt mit Gleichgewichtstraining aus? Passiert das da auch? Die Studienlage hierzu ist noch relativ dünn, aber Guibois und Kramer haben hierzu auch eine Untersuchung gemacht und konnten diesen Effekt bei Gleichgewichtsübungen nicht erkennen.
Um den Punkt jetzt nochmal abzurunden, es gibt noch die Studie von Kümmel et al., die zum gleichen Ergebnis kommt, dass der Übertrag einfach super schlecht von Gleichgewichtsübungen auf andere Übungen oder andere Bewegungen ist.
Sie haben in ihrer Studie zwei wichtige Dinge festgestellt. Erstens, selbst wenn du die Körperposition fast identisch hältst und nur den Untergrund änderst, also zum Beispiel einen Einbeinstand auf dem Boden oder auf dem Wackelkissen, der Übertrag ist nicht vorhanden. Und selbst wenn du den Untergrund gleich wählst und die Übung nur marginal änderst, auch dann ist der Übertrag nicht vorhanden.
Daraus können wir ziehen, dass man nur speziell in der Übung und auf dem Untergrund besser wird, auf dem man trainiert.
Deswegen eignen sich Gleichgewichtstests, wie zum Beispiel der Einbeinstand auch überhaupt nicht dafür, um herauszufinden, wie gut dein Gleichgewicht beim Fußball, Tennis, Joggen oder sonst was ist.
Ich denke, du hast nun verstanden, warum Gleichgewichtsübungen auf Balance Pads zeitverschwendend sind und warum du dir nicht im nächsten Shop ein weiches Schaumstoffkissen kaufen brauchst.
Es kursieren natürlich noch super viele weitere Mythen da draußen. Die neun häufigsten Schmerzmythen erfährst du in diesem Artikel.
Literatur
- Cressey, E. M., West, C. A., Tiberio, D. P., Kraemer, W. J., & Maresh, C. M. (2007). The effects of ten weeks of lower-body unstable surface training on markers of athletic performance. Journal of strength and conditioning research, 21(2), 561–567. https://doi.org/10.1519/R-19845.1
- Hubbard, Daniel MEd. Is Unstable Surface Training Advisable for Healthy Adults?. Strength and Conditioning Journal 32(3):p 64-66, June 2010. | DOI: 10.1519/SSC.0b013e3181d81c29
- Kramer, A., & Giboin, L. S. (2019). Gleichgewichtstraining: transfer auf untrainierte Aufgaben?. Sportphysio, 7(01), 16-21.
- Kümmel, J., Kramer, A., Giboin, L. S., & Gruber, M. (2016). Specificity of Balance Training in Healthy Individuals: A Systematic Review and Meta-Analysis. Sports medicine (Auckland, N.Z.), 46(9), 1261–1271. https://doi.org/10.1007/s40279-016-0515-z
- Norwood, J. T., Anderson, G. S., Gaetz, M. B., & Twist, P. W. (2007). Electromyographic activity of the trunk stabilizers during stable and unstable bench press. Journal of strength and conditioning research, 21(2), 343–347. https://doi.org/10.1519/R-17435.1
- Nuzzo, J. L., McCaulley, G. O., Cormie, P., Cavill, M. J., & McBride, J. M. (2008). Trunk muscle activity during stability ball and free weight exercises. Journal of strength and conditioning research, 22(1), 95–102. https://doi.org/10.1519/JSC.0b013e31815ef8cd